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Eine runde Sache

Oder über die Kunst der guten Tritttechnik.

Was haben Sie als Kind, noch bevor Sie sich in der Schule erste Fertigkeiten in Lesen, Schreiben oder Rechnen beibringen liessen, zuhause mit Eltern, Geschwistern, Kumpels oder alleine geübt? Genau: Fahrradfahren. Aufgrund dieser frühkindlichen Prägung könnte man vermuten, Velos zu bewegen sei bubbyeinfach. Aber! Weit gefehlt! Auch unser Fahrerteam ist aktuell, bald ist unsere Reise ins Nirgendwo zuende, nachdem jeder von uns alleine mit den bisherigen Tourtagen rund 540’000 Pedalzyklen in den Beinen hat, immer noch am dazulernen. Hier eine kurze Abhandlung über die Komplexität des runden Tritts:

Sind Sie nicht auch schon vor dem Fernseher gesessen, haben den Profis zugesehen, wie sie bei der Tour de France Etappe für Etappe eine grossartige Leistung zeigen und sich dabei gewünscht, auch einmal so effizient auf dem Rennrad agieren zu können. Es muss nicht nur ein Wunsch bleiben. Mit der richtigen Tritttechnik ist alles möglich. Hier wird nachfolgend erklärt, wie Sie an ihr arbeiten können und was sonst noch dazugehört, um wie die ganz Grossen in die Pedalen treten zu können.

Guten Radsportlern scheint das Pedalieren in die Wiege gelegt worden zu sein. Wenn sie auf dem Rennrad sitzen, erscheint es, als wäre es das Leichteste der Welt. In Wirklichkeit haben sie sich ihre Tritttechnik aber über unzählige Kilometer und Millionen von Pedalumdrehungen hart erarbeitet. Eine gute Tritttechnik sorgt aber nicht nur für eine bessere Ausdauer und mehr Leistung, sie minimiert auch das Verletzungsrisiko.

Auf dem Weg zu einer guten Tritttechnik und mehr Effizienz gibt es keine Abkürzung. Vielmehr gehört eine Menge Disziplin und Arbeit dazu. Also auch hier: 90% Transpiration, 10% Inspiration; Talent wird in unserer aktuellen Sozio-Kultur-Betrachtungsweise-Gesellschaft meiner Meinung nach massiv überschätzt.

Bevor Sie mit dem Training loslegen, sollten Sie zunächst für eine optimiale Sitzposition sorgen. Denn nur wenn Ihr Bike-Setup gut auf Sie abgestimmt ist, können Sie effektiv an einer besseren Tritttechnik und Trittfrequenz arbeiten.

Übrigens: natürlich gehört hier auch adäquates Material – neben dem Velo sind das Velohose, Veloschuhe, Handschuhe etc. – dazu.

Pav Bryan, ein Kenner der Materie, meint dazu: „Die Tritttechnik ist entscheidend, möchtest du sicherstellen, das Leistungsmaximum aus jeder einzelnen Umdrehung herauszuholen. Mit einer guten Tritttechnik brauchst du die gleiche oder sogar weniger Energie, um mehr Leistung zu generieren.“

Neben der höheren Trittfrequenz hilft eine gute Tritttechnik aber auch noch dabei, Verletzungen an Gelenken, Muskeln und Faszien vorzubeugen. Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist laut Pav Bryan die geringere Beanspruchung der Komponenten und eine daraus resultierende längere Haltbarkeit des Materials.

James Spragg von Spragg Cycle Coaching ist der gleichen Meinung. Er erklärt, viele Amateurfahrer üben in einer Art und Weise Druck auf die Pedale aus, die ein sauberes und gleichmässiges Pedalieren unmöglich macht.

„Die meisten Fahrer, die sich noch nie einen Coach an die Seite geholt haben, verfolgen ein Start-Stop-Prinzip, welches Drehmomentspitzen beinhaltet. Eine saubere Tritttechnik ist allerdings davon geprägt, dass diese Spitzen bei keiner einzelnen Umdrehung auftreten.“

Eine super Möglichkeit, um Ungleichmässigkeit und Ineffizienz in der Tritttechnik auszumachen, wäre ein Wattbike. Ein solches Trainingsinstrument liefert jede Menge Daten wie beispielsweise Links-Rechts-Leistung. Zudem lässt sich via eines Analysetools einsehen, an welcher Stelle eines Pedaltritts Sie wieviel Kraft ausüben. Natürlich hat aber nicht jeder Zugang zu so einem Wattbike.

Nur: mittlerweile besitzt jeder durchschnittliche Fahrradcomputer nicht nur GPS-Karten, Wattleistungsangabe, Höhenmeter etc., sondern aufgrund entsprechender Pedalen und/oder Kurbeln, auch die Möglichkeit, in einer sogenannten Feedbackgrafik, den Detailaspekten auf den Grund zu gehen.

Damit Sie sich etwas darunter vorstellen können: Auf dem Bildschirm gibt es eine Grafikeinstellung, bei der eine Art Zielscheibe mit konzentrischen Kreisen erscheint. Die linke Seite des Halbkreises bildet die Bewegung des linken Beines ab und umgekehrt. Die obere Kreishälfte bedeuten Druck, die untere Zug. Rein theoretisch ergäbe ein komplett runder Tritt die Figur eines konzentrischen Kreises. Je grösser dabei der Durchmesser, desto höher die Leistung. Rein mathematisch entspricht sie dem Integral der Fläche. Nun sind wir, glücklicherweise, keine Robotor. Das heisst, die Figur, die Sie als erstes antreffen werden, gleicht im besten Fall einer Birne. Oben schlanker, unten fetter. Was nichts anderes bedeutet, als dass Sie mehr drücken als ziehen. Im schlechteren, aber wahrscheinlicheren Fall erinnert Sie Ihre Anfangsgrafik an eine kranke Amöbe; eine freie Form mit sehr vielen Unregelmässigkeiten. Das tolle an diesem System ist nun, dass Sie ein visuelles Feedback bekommen davon, was Ihre Beinchen grad so tun. Durch diese Rückkoppelung werden Sie sich mit der Zeit verbessern und einem Optimum annähern.

Wie pflegte mein genialer erster Ruderjuniorentrainer Ueli Sennhauser uns 15-jährigen Burschen zu sagen: „Bevor ihr nicht 10’000 km gerudert habt, kann man nicht von Rudern sprechen“. Multiplizieren Sie die Zahl mindestens mit zwei, wenn Sie der Wert fürs Fahrrad interessiert…

Hören Sie hier ein paar wirklichen Profis zu:

Pav Bryan: „Ich empfehle den Versuch, einbeinig zu fahren. Im Idealfall sollte es möglich sein, einbeinig zu pedalieren, ohne dabei ein Klappern zu erzeugen, das von einer nicht andauernden Spannung auf der Kette herrührt, bis der Punkt erreicht ist, an dem Sie keine saubere Umdrehung mehr hinbekommen.“

Eine weitere, recht einfache Möglichkeit, Schwächen in Ihrer Tritttechnik zu erkennen, wäre es, die Trittfrequenz zu varrieren.

James Spragg: „Gehen wir mal davon aus, du würdest normalerweise bei etwa 80 Umdrehungen pro Minute pedalieren. Steigere die Trittfrequenz für eine Minute auf etwa 100 Umdrehungen und achte darauf, ob du dabei auf dem Sattel hin und her rutscht. Ist das der Fall, deutet das auf eine ineffiziente Tritttechnik hin.“

„Versuche auch, die Trittfrequenz auf beispielsweise 60 Umdrehungen pro Minute zu reduzieren und achte genau auf jeden einzelnen Pedaltritt. Kannst du in den Pedalumdrehungen Druckspitzen ausmachen, ist deine Tritttechnik nicht rund. Möchtest du effizienter pedalieren, gilt es, dieses Problem als erstes auszuräumen.“

Ja, laut Meinung unserer beiden Experten kann eine suboptimale Sitzposition sich auf die Tritttechnik auswirken. Ein gut eingestelltes Bike ist nicht nur das A und O, möchten Sie bequem und verletzungsfrei pedalieren, es trägt auch zur Verbesserung Ihrer Leistung und somit auch Ihrer Tritteffizienz bei.

James Spragg: „Sitzt dein Sattel zu weit vorne, findet der Pedaltritt im Bereich zwichen der 5- und 7-Uhr-Stellung zu weit hinten statt. Um diese suboptimale Position während der Fahrt auszugleichen, musst du gezwungenermassen vor- und zurückrutschen.“

„Ist der Sattel zu tief eingestellt, führt das dazu, dass du das Knie zu weit nach oben ziehen musst und den Pedaltritt nicht korrekt zu Ende führen kannst. Zudem wirkt es sich negativ auf das Zwerchfell aus, was wiederum die Atmung einschränkt, wodurch weniger Sauerstoff in die Beine gelangt.“

„Ist der Sattel hingegen zu hoch eingestellt, musst du im Sattel hin und her rutschen, um eine möglichst optimale Spannung zu halten. Zudem musst du deinen schwächeren, äusseren Wadenmuskel zur Hilfe nehmen, um den Pedaltritt zu beenden.“

Die Kurbellänge ist ein weiterer Faktor, den es zu beachten gilt. Da die Beine eines jeden Fahrers anders proportioniert sind, gibt es hier aber keine Faustregel. Dennoch ist es ein wichtiger Punkt bei der Erarbeitung der richtigen Sitzposition. Pav Bryan rät dazu, die Kurbellänge zusammen mit einem Bike-Fitting-Spezialisten festzulegen.

Pav Bryan: „Beim Thema Kurbellänge empfiehlt es sich wirklich, einen Bike-Fitter aufzusuchen, der einen auf eine entpsrechende Einstellvorrichtung setzen kann und so ermöglicht, mit verschiedenen Kurbellängen herumzuspielen. Ich persönlich habe meine Kurbel nach einem Bike-Fitting um fünf Millimeter gekürzt und konnte so bei gleichem Gefühl und gleicher Herzfrequenz ein Plus an Leistung und Trittfrequenz verbuchen.“

Leistung ist das Resultat von Trittfrequenz multipliziert mit dem Drehmoment, oder anders gesagt: „(Kraft x Weg) : Zeit“. Bei der Suche nach der richtigen Trittfrequenz geht es darum, den persönlichen Sweetspot zwischen Pedaliergeschwindigkeit und -kraft zu finden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass übereifrige Neulinge in einem zu hohen Gang fahren anstatt sich erst einmal mit einer höheren Trittfrequenz vertraut zu machen, die eventuell sogar effizienter wäre.

Über dieses Thema wird sehr gerne diskutiert. Was hier aber das Richtige ist, variiert von Fahrer zu Fahrer. In der Regel wird eine Trittfrequenz zwischen 80 und 100 Umdrehungen pro Minute empfohlen.

Pav Bryan: „Ich glaube nicht, dass es eine bestimmte Trittfrequenz gibt, die als optimal bezeichnet werden kann. Eine aktuelle Theorie besagt aber, du solltest darauf hintrainieren, die Trittfrequenz zu erhöhen, da sich die Energie so effizienter nutzen lässt. Das bedeutet allerdings auch eine höhere Belastung für dein Herz-Kreislauf-System.“

Wie dem auch sei, die Theorie ist eine Sache, die Praxis eine ganz andere, sagt Bryan und führt an, Dinge seien nie so leicht, wie sie anfangs erscheinen.

„Über Jahre hinweg habe ich Fahrer in Sachen Tritteffizienz gecoached und weiss, dass sich die Tritttechnik bei zunehmender Trittfrequenz sehr oft verschlechtert. Das liegt einfach daran, dass das Pedalieren bei höherer Frequenz holpriger wird.“

Ist die Trittfrequenz zu extrem, führt das unweigerlich zu einem ineffizienteren Pedaltritt. Radsportneulinge brauchen oft ziemlich viel Zeit, um sich mit den höheren Trittfrequenzen auf dem Rennrad vertraut zu machen. Früher oder später findet aber jeder Fahrer die Frequenz, die für ihn optimal ist.

James Spragg: „Geht es darum, unter Berücksichtigung einer guten Tritttechnik die maximale Leistung zu erbringen, hat sich die selbstgewählte Trittfrequenz bisher immer als am effizientesten erwiesen. Das bedeutet aber nicht, dass du nicht auch bei anderen Trittfrequenzen trainieren sollst.“

Ihre Trittfrequenz wird sich während eines jeden Ausritts variieren. Das ist auf verschiedene Faktoren wie beispielsweise das Terrain, Ihren Erschöpfungsgrad oder die temporäre Situation zurückzuführen. Schliesslich pedalieren Sie nie konstant über die gesamte Strecke. Es wird Momente geben, in denen Sie sich in einer Gruppe befinden und um Energie zu sparen gemütlicher strampeln und dann gibt es wieder Situationen, in denen Sie in einen höheren Gang schalten und zum Sprint ansetzten. Sie sollten sich während Ihres Trainings also mit unterschiedlichen Trittfrequenzen beschäftigen, um in den verschiedenen Situationen komfortabel und effizient agieren zu können.

„Nimmst du an einem Event wie beispielsweise der Etape du Tour teil, wirst du dich vielen langen Steigungen gegenüber sehen. Um hier bestehen zu können, ist es wichtig, dass deine Bemühungen deine Muskeln nicht zu sehr schwächen. Stattdessen solltest du die Trittfrequenz erhöhen, um die Belastung mehr auf dein Herz-Kreislauf-System zu lenken. So kannst du den Drehmoment jedes Pedaltritts reduzieren und die Muskelkontraktionen kleiner halten. Deine Beine werden es dir danken und dir auf diese Weise länger gute Dienste erweisen.“

Welche Trittfrequenz also die beste ist, lässt sich nicht sagen. Zu der Zeit, in der Lance Armstrong Jahr für Jahr die Tour de France gewann, hätten die meisten sicherlich eine höhere Trittfrequenz als das Optimum bezeichnet. Heute wissen wir allerdings alle, warum er diese „Erfolge“ einfahren konnte.

James Spragg: „Wir wissen, warum er diese Trittfrequenz aufrechterhalten konnte. Wäre es allerdings Jan Ulrich gewesen, der damals jedes Jahr die Tour de France gewonnen hätte, wäre die Meinung vermutlich in die andere Richtung gegangen und eine niedrigere Trittfrequenz hätte als die effizienteste gegolten.“

Grundsätzlich gibt es drei primäre Tritttechniken: neutral, mit dem Zeh nach unten oder mit der Fernse nach unten. Welche Tritttechnik die beste ist, lässt sich allerdings nicht verallgemeinern. Vielmehr hängt es vom jeweiligen Fahrer ab. Eine Sache sollten aber alle Pedalisten auf jeden Fall vermeiden.

James Spragg: „Bei der Aufwärtsbewegung darf es keinen aktiven Zug geben. Viele meiner Schützlinge berichten, dass das Ziehen ihnen hilft, den Fuss zu entlasten. Tatsache ist aber, dass man lediglich den Druck vom Pedal nehmen soll, um einen negativen Drehmoment zu minimieren. Man muss also darauf achten, beim Pedaltritt keinen Gegendruck mit dem anderen Bein zu erzeugen.“

Spragg empfiehlt die Powermeter von Pioneer in Verbindung mit dem Analysetool Cyclo-Sphere. Diese Kombination ermöglicht einem, genau zu sehen, an welcher Stelle Kraft ausgeübt wird und in welche Richtung sie geht.

„Grundsätzlich gilt, wenn dein Fuss sich im 90-Grad-Winkel befindet, sollte sich die Kraft direkt nach unten bewegen. Bei einem Winkel von 135 Grad, geht sie um 45 Grad versetzt nach unten. Sprich, die Kraft geht in Laufrichtung des Pedals nach unten. Bei einer ineffizienten Tritttechnik, bewegt sich die Kraft ausschließlich nach unten, wodurch die Zeit reduziert wird, in der man dem Pedalweg folgt. Das Ziel ist aber eine saubere Trittechnik und diese erreichst du nur wenn du mit beiden Beinen ausgeglichen Kraft auf die Pedale ausübst und diese konstant aufrechterhälst.“

Pav Bryan empfiehlt, die Knöchel beim Pedalieren locker zu lassen. So sei es einfacher, auch im toten Bereich der Bewegung, also am unteren Ende des Pedaltritts, Kraft auszuüben. „Die Kraft durch Anwinkeln aufrechtzuerhalten, fühlt sich ein wenig so an als würdest du etwas von der Unterseite deines Schuhs abkratzen,“ sagt er.

Welche Übungen können mir helfen, meine Tritttechnik zu verbessern?

„Im Falle der Profis hat sich ein Memoryeffekt der Muskeln eingestellt. Darum ist deren Tritttechnik so beständig,“ erklärt Spragg. „Natürlich kann der Normalsterbliche in der Regel nicht so viel Zeit für das Training aufwenden wie ein Profi. Dennoch kannst du bei unterschiedlichen Trittfrequenzen trainieren und dich dabei darauf konzentrieren, die gleiche Tritttechnik wie bei deiner bevorzugten Frequenz anzuwenden.“

Pav Bryan ist ein Freund davon, den Pedaltritt in isolierte Beinübungen zu unterteilen. „Zum Aufwärmen könntest du beispielsweise einen Fuss ausrasten, nur mit einem Bein pedalieren und dich dabei auf einen gleichmässigen Tritt konzentrieren. Sobald das aktive Bein müde wird, wechselst du die Seite und wiederholst das Ganze.“

„Aber auch jede Einheit (Spin Ups oder ähnliches) auf dem Rollentrainer bringt dich weiter. Versuche beispielsweise, jede Minute fünf Umdrehungen mehr zu machen bis du beginnst, im Sattel hin und her zu hüpfen. Reduziere die Umdrehungen bis du wieder ruhig im Sattel sitzt und halte diese Trittfrequenz für fünf Minuten aufrecht. Fahre anschließend für zehn Minuten bei einer entspannteren Frequenz und wiederhole das Ganze,“ empfiehlt Pav Bryan.

„Worauf es dir dabei ankommt ist, dass dein Körper sich an die höhere Frequenz anpassen kann. Nur so wird eine höhere Trittfrequenz auf Dauer komfortabler für dich. Die Tritttechnik wird mit zunehmendem Komfort automatisch besser.“

Sowohl Pav Bryan als auch James Spragg sind sich einig, dass sich ein einfaches Training im Fitnessstudio nicht automatisch in einer besseren Tritttechnik niederschlägt. Dennoch ist die Arbeit an der Tiefenmuskulatur ein wesentlicher Bestandteil unserer Effizienz auf dem Rad. Schliesslich ist eine gute Tiefenmuskulatur die Basis eines jeden Pedaltritts.

James Spragg: „Jedes Training ist vorteilhaft. Je schlechter die Tiefenmuskulatur trainiert ist desto instabiler die Haltung beim Pedalieren. Im Umkehrschluss bedeutet das, je besser unsere Tiefenmuskulatur trainiert ist desto stabiler sitzen wir auf dem Rad. Bei den Profis kann man das sehr gut erkennen. Ihr Oberkörper scheint felsenfest und bewegt sich kaum. Zudem können sie mit ihren Beinen bei gleicher Geschwindigkeit mehr Kraft erzeugen.“

„Eine starke Tiefenmuskulatur sorgt automatisch auch für eine konstantere Sitzposition auf dem Bike. Die Zeiten, in denen du an einem Tag fit und aufrecht im Sattel sitzt und am nächsten Tag krumm über dem Lenker hängst, gehören mit einer guten Tiefenmuskulatur der Vergangenheit an. Und genau diese Konstante treibt den Memoryeffekt der Muskeln voran und bringt somit auch deine Tritttechnik auf einen neuen Level.“

Pav Bryan fügt hinzu: „Obwohl die Tiefenmuskulatur ein wesentlicher Bestandteil ist, gehört aber noch mehr dazu. Sofern es eine Schwäche ist, macht es auf jeden Fall Sinn, auch an der Beinkraft zu arbeiten. Aber auch regelmäßiges Stretching und/oder Yoga oder Pilates helfen dir dabei, die Beine flexibler zu machen. Das ist ebenfalls sehr wichtig, um die Kraft optimal an der Laufrichtung des Pedals ausrichten zu können.“

All diese Faktoren haben Auswirkungen auf die Effizienz, mit der du pedalierst. Hier ist bei den meisten Radsportlern noch Luft nach oben. Wichtig ist es, zu verstehen, dass die Verbesserung der Tritttechnik ein langwieriger Prozess ist und nichts was man über Nacht erzwingen kann. Fange am Besten noch heute an und du wirst schnell merken, welche Fortschritte du machst.

Und genau das tun wir aus dem Fahrerteam jetzt dann auch gleich wieder; üben, üben, üben. Sodass unsere Tritte eine richtig runde Sache werden…

Wenn Sie nach diesem längeren Text den Eindruck bekommen haben es sei kompliziert: Lassen Sie sich nicht täuschen, das war hier erst der Einstieg! Über ganz viele weitere wichtige Aspekte, wenn es um den runden Tritt geht, haben wir noch nicht gesprochen: Lageposition der Klickplatte am Veloschuhe, Härtegrad der Einlegesohle bei Veloschuhen, Lagewinkel der Oberschenkel während Druck- und Zugphase, Ausstiegsdrehkraftmoment der Klickpedale und seine Ansprechtoleranzwinkel, Einfedermass der Sattelstütze etc.

Für die heutige Etappe hiess dies kurz&bündig zusammengefasst: es ging ständig rauf und runter, nach links und nach rechts und entsprechend mussten wir richtig viel treten, die Steigungen variierten von +16% zu -12%, das Erlebte war einmal mehr ein Potpourri allererster Güte.

Sie kennen den langsam: Schön der Reihe nach… Nach einer kurzen Busfahrt wurden unsere Werkzeuge bereitgestellt und los ging’s; und wie. Zack! Grad wieder Rampen, Kurven, Waldabschnitte à gogo, zwei Goldenager, die einmal mehr in die Kurbel hauten, als wäre heute unser letzter Tag, dafür schneckenhafte, aber gut gepolsterte Downhiller, fairerweise sei angefügt: die fuhren immerhin mit eigener Kraft hoch und nicht mit dem Bähnli. Und dann auch wieder dieser seltsame Schreiberling, der heute einmal mehr, immerhin muss man ihn als Experten bezeichnen in solcherlei Dingen, Opfer wurde seiner selbstauferlegten Nährstoffselektion. Die Sache könnte abkürzungsweise als „Ketose“ bezeichnet werden; heute fühlte ich mich aber eher wie gezogene „Steckdose“. Prompt über eine halbe Stunde lang den hartnäckigen Gedanken nicht aus der Birne gebracht, beim nächsten Boulanger überfallmässig einzukehren und mir mindestens ein Kilo frischer Baguette reinzuhauen… Zum Glück waren wir zwischenzeitlich in voralpinem Terrain, wo es davon weit und breit nix gab.

Es gab dafür duzende von etwas seltsamen Jägern, alle mit ihren Pickups in diese Westernlandschaft hoch geblocht, die diesmal übrigens aus Granit und Gneis, Sie wissen schon, haha, vom Sedimentgestein Kalk und Schiefer zu den Erstarrungsgesteinen von heute, alle knallig orange Westen auf dem Leib, da hat’s wohl in der Vergangenheit Fehlschüsse gegeben, ausgerüstet mit langen Flinten und scharfen Hunden, in der steilen Landschaft verteilt, grad so, dass es von Weitem nach nicht unspannender Landart ausschaute, auf der Jagd nach dem verirrten Kaninchen ohne Chance. Wie teilen die das Tier am Abend wohl auf unter so vielen Schützenkönigen? Und später wieder spuckewegbleibende Fernsichten in weite, schroffe Täler und wilde Felsformationen.

So sammelten wir, heute hätte man auch sagen können „chassten“ wir weitere Pässe und erreichten nach über vier Stunden Sattelarbeit einen befriedigenden Tagesrekord von zehn Stück. Hallo! Weil viele davon lustige Namen trugen, probierten wir bei jedem Passbild eine entsprechende Geste zu finden. Erraten Sie selber, was unser Titelbild genau sagen will. Nicht so schwer, oder? Na ja, Cabaret haben wir eh jeden Tag mehr als genug.

Nach etwa gut zwei Stunden ein Primeur: wir machten bei einem schmucken Bächlein mit Picknickbank zum ersten Mal einen veritablen Verpflegungshalt; ich brauchte dringend etwas hinter die Kiemen, sonst wäre aus meiner Laune nächstens ein schwarzes Loch entstanden. Gion haute ebenfalls wie ich ein paar Nüsse rein, ergänzte dies aber elegant mit zwei deftigen Müsliriegel. Vorher noch quicklebendig und gesprächig, wurde es plötzlich still und leicht langsamer um ihn. Am nächsten Pass fragte ich, ob er eine Krise hätte. „Hast Du das gemerkt?“. Naja! Er hatte also hautnah ein Phänomen erlitten, das man bestens kennt in unserer Szene. Die hohe Zuckermenge der Zwischenverpflegung, kombiniert mit der rund zehnminütigen Pause hat für den Körper gereicht, a) in einen Erholungsmodus zu gelangen und b) eine rabiate Insulinrakete zu zünden. Wenn es dann weiter geht und der Motor wieder Arbeit aufnimmt, fällt der Blutzucker sehr schnell rapide ab, das Insulin hat aber gleichzeitig die Fettzellen verschlossen und der zugefügte Zucker ist längstens verdampft. Ergebnis? Superhammer! Wären nur Nüsse verspiesen worden, wäre das nicht passiert.

Nun gut, Sie können das selber ausrechnen. Zehn Pässe in gut vier Stunden bedeuten einen nervösen Rhythmus von trampeln, bremsen, fotografieren, trampeln etc. Zum Schluss gab’s das Sahnehäubchen des Tages. Wobei. Das war ein richtig wuchtiger Sahneberg: Abfahrt auf breiter, rund 6% abfallender Strasse, Kurvenführungen, die 60 bis 80 km/h zuliessen, Rauschfeeling pur. Unten angekommen wieder 8° Grad wärmer als wenige Minuten vorher. Das auf der eigenen Haut am ganzen Körper spüren zu dürfen heisst Leben!

Noch einmal kurz Bus, dann kleiner Service an den Geräten.

Heute ist unsere Bleibe eine veritable Residenz. Laubbaumallee von der Strasse ans schlossartige Haus, opulente Vorfahrt, Stiegen, interessanter Name: Demeure de Flore, Wohnung der Flora, leicht crazy aber sehr sympathischer Landlord aus Apulien, etwas zwischen Lebemann, Künstler, Gastgeber und Koch. Gerade auf seine lukullischen Künste, es gibt keine Karte, er kocht jeden Tag ein neues Menü, freue ich mich sehr.

Tageshöhepunkt für mich aber etwas ganz anderes. Die Nachricht meines lieben Geschäftspartners, dass er gestern Abend spät zusammen mit seiner tollen Frau ein Geschenk des Himmels bekam: Die süsse Polina hat das Licht der Welt erblickt! Herzlich willkommen auf unserer wunderbaren Welt, liebe Polina; es gibt sehr viel zu entdecken!

Quellenangabe: ROADCYCLING.DE