Home Sweet Home
Oder: wieso die beinahe zweitägige Heimreise vernünftig, stufengerecht, adäquat und clever war.
Noch letzten Freitagabend, keine 48 Stunden ist es her, freuten wir uns über die irgend etwas zwischen nobler-eleganter Tradition und frecher-rotziger Jugendlichkeit anzusiedelnde Luft, die wir, gemischt mit vielen verschiedenen Atlantikgerüchen, in San Sebastian einatmen, aufsaugen, geniessen konnten.
Zum einen war da als das prägende Element diese unglaublich anschmiegsame Bucht, in der zudem eine Reihe von Inseln liegen und bei der man unsicher wird, ob sie die Stadt dominant fassen will oder ihr umgekehrt erst das freie Atmen ermöglicht, zum anderen die ineinanderfliessenden Quartiergefüge, die mehrheitlich als Blockränder strukturiert sind und zusammen mit den jeweils spezifischen, ortstypischen und publikumswirksamen Erdgeschossnutzungen und den vielen unterschiedlich grossen, sehr gut proportionierten Platzräumen zusammen, diese pulsierende Vitalität ausmachen von San Sebastian.
Wir liessen es bei der Abfahrt am Samstagmorgen aus Spanien bewusst offen, wie so Vieles, was auf unserer Reise von diesem Open-Mind-Spirit geprägt war, ob wir direkt, quasi in einem Schnutz in die Heimat zurückfahren, oder ob es einen Zwischenstopp geben würde.
Nach gut sieben Stunden Tourbus hielten wir gestern leicht erschöpft, eigentlich hätte das nur unser Superfahrer Adrien sagen dürfen, in Lyon an, um nicht noch am Ende unserer Reise in unnötige Hektik zu verfallen oder den Situationen und Gegebenheiten nicht die Zeit zu geben, die sie halt brauchen. Sieben Stunden im oder auf dem selben Gerät, das hatten wir im letzten Monat auch schon… Im Bus ist es strenger! Und tausendmal langweiliger, unergiebiger, ungesünder.
Mit der sattelfesten Routine des Könners buchte uns Gion, wie immer wieder die letzten Wochen, aus der Lockerheit seines Handgelenks auf dem Smartphone ein Hotel, währenddessen sich Norbert, via einer Freundin aus Nizza, um die leiblichen Aspekte sorgte. Mit uber hin und zurück, statteten wir der seit 1998 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärten Altstadt auf der Halbinsel zwischen den beiden Flüssen einen pedrestialen Besuch mit Dinner im „Le Bistro de Lyon“ ab; vorderhand letzter schöner gastronomischer Ausklang dieser Männerrunde.
Die beiden Kurzstädtetrips nach San Sebastian und Lyon, interessanterweise beides Metropolen, die mit Zürich einen Reihe von Gemeinsamkeiten aufweisen, fragen Sie mich bei nächster Gelegenheit einmal, wie Sie wissen erzähle ich gerne…, waren handfest und inhaltlich, aber auch symbolisch-metaphorisch ein krasses Gegenprogramm zum vergangenen Monat, in dem wir uns vornehmlich in Naturlandschaften, landwirtschaftlich geprägten Strukturen, Wäldern, kleinsten Dörfern, ganz abseits von dem, was wir gemeinhin urbane Morphologien nennen, bewegten.
Wahrscheinlich sahen wir im ganzen Tourmonat zusammen nicht mehr Menschen, als in den beiden Cities in einer Minute. Was wir mehrheitlich antrafen auf dem Velo, war Ruhe, Entschleunigung, Einkehr, Ausgewogenheit, Stille, Gelassenheit, Souplesse, Selbstvergessenheit, Gemächlichkeit…
Suchen Sie, nur so als kleines Hirnyoga, für den Kontext „Stadt“ für jeden der neun obigen Begriffe das Gegenteil; haben Sie’s? Ziemlich brutal, finden Sie nicht?
Nur um das klarzustellen, ich liebe Städte. Aber wenn ich mir diese beiden Begriffsgruppen anschaue sodann diese referenziere mit den letzten 30 Tagen, kann ich sehr genau sagen, wohin es mich jetzt gerade zieht.
Auch am Sonntagmorgen änderten wir nichts an unseren Routinen, Tagwacht, Frühstück, Abfahrt um 8:00 Uhr. Nach zwei weiteren Kaffeepausen und via Basel kamen wir am frühen Sonntagnachmittag in der Heimat an, wo wir logo, von grösseren Delegationen, Familienmitgliedern, Gemeindepolitiker, Fanclubs etc. feierlich, mit viel Brimborium, nicht enden wollenden Festreden, Fanfaren usw. empfangen wurden.
Es ist schön, nach so langer Zeit wieder zuhause sein zu dürfen, wenngleich sich die Sache zu Beginn noch etwas seltsam, fremd und komisch anfühlte.
Im Ernst: es war und ist wunderschön, seine Frau, seine Kinder, seine Lieben wieder in den Arm nehmen zu dürfen, sie zu drücken, eine Träne der Wiedersehensfreude zu vergiessen, aneinander zur riechen, sich liebe Dinge ins Ohr zu flüstern, sich live und mit allen Sinnen zu spüren und dieses Gefühl des Willkommen- und Aufgehobenseins zu empfinden und zu geniessen.
Auf alle Fälle darf, muss und ich will ich an dieser Stelle all denjenigen Personen, die den Palast hüteten und auch sonst alles taten dafür, um uns drei Fahrern diesen Monat zu ermöglichen, meinen massivsten, herzlichsten und grössten Dank aussprechen: Henriette! Evelyn! Sabrina! Und natürlich waren da auch noch zahllose Helfershelfer*innen, die ich hier einschliessen möchte.
Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf den obigen Claim zurückkommen. Vernünftig war die gestaffelte Rückkehr aus Sicherheitsgründen, ist doch Adrien am Schluss rund 5’000 km Autobus gefahren. Stufengerecht war es für uns, weil wir uns schrittweise wieder an die „normale“ Zivilisation gewöhnen konnten und dazu zwei Städte aussuchten, die grosse kontextuelle Gemeinsamkeiten aufweisen mit unserem sonstigen Umfeld. Adäquat empfand ich diese Art von Rückkehr, diese Annäherung an den Alltag, dieses Wiedereintauchen in einen anderen seelischen Modus, weil es gemächlich, allmählich ablaufen konnte. Tja und clever? Die Kombination der drei letzterwähnten Aspekte scheinen mir insgesamt clever. Oder, das wissen Sie jetzt nach so viel Lektüre langsam, fällt mir (fast) immer noch irgend eine gutklingende Begründung ein, die zeigt, wie souverän wir unterwegs waren… Wissen Sie noch, was bei mir die drei Pünktli bedeuten?
So oder so. Jetzt ist hier Schluss. Wir danken für Ihr hochgeschätztes Interesse der letzten Wochen und die spürbare sowie wohltuende Anteilnahme!